Die Altstadt muss sich neu erfinden – Experte ist zuversichtlich: «Die Ausgangslage ist toll»

Das Leben spielt sich allerdings mittlerweile an anderen Orten in der Stadt ab. Die Verkehrsberuhigung bietet aber neue Chancen, sagen die Fachplaner von Espace Suisse, die im Auftrag der Stadt eine Nutzungsstrategie erarbeiten. Doch die Situation sei knifflig.

Bild: Max Eichenberger
Die Nutzungsstrategie soll aufzeigen, wie neues Leben in die Altstadt einkehren kann.

Es wird nie mehr sein, wie es die letzten 50 Jahre war. «Wir werden Ihnen die Läden nicht in die Altstadt zurückbringen können», sagt Paul Dominik Hasler. Er ist Experte im Netzwerk von Espace Suisse, dem Verband für Raumplanung. Am Dienstagabend klärte der Ingenieur und Inhaber des Büros für Utopien mit seinem Kollegen Ueli Strauss die Arboner darüber auf, worum es bei der Nutzungsstrategie zur Altstadt geht, die der Stadtrat in Auftrag gegeben hat.

Die Behörde nimmt damit einen neuen Anlauf zur Belebung des historischen Zentrums nach dem deutlichen Nein der Bevölkerung zu einem letzten Projekt, das vor zwei Jahren an der Urne gescheitert war. Die Diskussionen damals waren teilweise gehässig. Diesmal soll es anders laufen. Hasler würde sich eine lustvolle Auseinandersetzung mit der Frage wünschen, wie die Altstadt in die Zukunft geführt werden kann.

Altstadt ist nicht mehr das geschäftliche Zentrum


Bild: Donato Caspari
Paul Dominik Hasler von Espace Suisse.

«Die Ausgangslage ist toll», machte Hasler den Anwesenden im katholischen Pfarreisaal Mut.

«Arbon liegt wunderschön am See und hat Quaianlagen, von denen es in dieser Art nicht viele in der Schweiz gibt.»

Die Gewichte hätten sich jedoch verschoben. Die Altstadt habe massiv an Anziehungskraft verloren, nicht zuletzt wegen des Strukturwandels im klassischen Detailhandel. Gleichzeitig bekomme die Altstadt mehr und mehr interne Konkurrenz: Zum einen von den Seeuferanlagen, wohin es viele Touristen und Ausflügler ziehe und wo die Stadt neue gastronomische Angebote schaffen wolle. Zum anderen von der sogenannten neuen Stadtmitte mit den Einkaufszentren und dem Saurer Werk Zwei, wo der neue Treiber der Entwicklung besonders gut zu sehen sei: der Wohnungsbau.

Vor diesem Hintergrund gehe es darum, die Rolle der Altstadt neu zu definieren und Wege zu finden, wie sie besser ins Gesamtgefüge eingebunden werden könne. Einfach sei die Aufgabe nicht, sagte Hasler. «Die Situation ist relativ knifflig.»

Der Verkehr ist weg: Und wie geht es jetzt weiter?

Aber sie ist zumindest besser als noch vor ein paar Jahren. Denn die Altstadt sei heute vom Durchgangsverkehr weitgehend befreit, womit ein alter Wunsch in Erfüllung gegangen sei, sagte Hasler. «Doch was nun?» Wichtig sei zu klären, wie die Erdgeschosse genutzt werden könnten, wenn Ladengeschäfte verschwinden. Hasler sagte:

«Es braucht Konzepte, die nicht am Detailhandel hängen. Und je klarer die Strategie, desto eher sind Liegenschaftsbesitzer bereit zu investieren.»

Sie müssten wissen, wohin die Reise geht. Mögliche Mieter der freien oder frei werdenden Ladenflächen könnten beispielsweise Dienstleister sein, sagte Hasler. Klar sei: «Die Mieterträge werden in Zukunft relativ bescheiden sein.»

Zwingend festgelegt werden müssten Spielregeln, um Konflikte zwischen Wohnungsbesitzern beziehungsweise Mietern und Gastrobetrieben wegen Lärmbelästigung zu verhindern, sagte Hasler. «Die Verkehrsfragen sind lösbar.» Es gebe genug gute Beispiele in der Schweiz, die herangezogen werden könnten. Es gehe tendenziell überall in die gleiche Richtung: Die Strassen würden zu Plätzen gestaltet, die nicht mehr allein den Autofahrern gehören würden.

Entscheidend wird sein, den Kanton ins Boot zu holen

Wichtig sei in diesem Zusammenhang, das Parkplatzproblem anzugehen, meinte ein Versammlungsteilnehmer auf die Frage von Hasler, was sie unbedingt beachten müssten. Ein Mann und eine Frau wollen Ideen präsentiert bekommen, wie die Altstadt und die neue Stadtmitte beziehungsweise der Hafen besser miteinander verbunden werden können.

Knackpunkt werde sein, den Kanton ins Boot zu holen, meinte eine Mann mit Verweis auf die Diskussionen beim letzten Altstadt-Projekt.

«Am Schluss ist vieles an den zuständigen Stellen in Frauenfeld gescheitert.»

Ueli Strauss sah die Sache nicht so pessimistisch. «Wenn man eine gute Strategie und ein gutes Konzept hat, kann man mit dem Kanton reden.» Strauss muss es wissen. Er war bis 2018 17 Jahre lang St. Galler Kantonsplaner.

Er verstehe nicht, warum die Stadt so viel Aufwand mit einer Studie betreibe, sagte ein Mann. «Es könnte so einfach sein.» Viel gewonnen wäre nur schon, wenn die Strassen schöner und die Fassaden der Häuser alle frisch gemalt wären.

Originalartikel erschien im Tagblatt am 2. Dezember 2020

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